Auf der Suche nach neuen Produktionsstandorten rückt die Ukraine in den Fokus. Neben wirtschaftlichen und logistischen Vorteilen ist die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte ein entscheidender Faktor. Berufsschulen wie das im Dezember 2024 besuchte Galizische Fachkolleg in Ternopil und das Berufsausbildungszentrum in Rivne spielen dabei eine Schlüsselrolle: Ihre Ausbildung kann gezielt auf die Bedürfnisse moderner Industrien ausgerichtet werden.
Ein aktuelles Beispiel des STZ Ost-West-Kooperationen unterstreicht die Bedeutung dieser Bildungseinrichtungen. Ein Automobilzulieferer aus Baden-Württemberg prüft derzeit mögliche Standorte für neue Produktionskapazitäten in der Ukraine. Besuche örtlicher Berufsschulen sind dabei fester Bestandteil der Standortbewertung.
“
Mein erstes Projekt in der Ukraine führte ich 1996 erfolgreich durch – an einer Berufsschule. Gemeinsam mit den Lehrkräften der Höheren Berufsschule Nr. 20 in Tscherkassy haben wir damals über Satelliten-Fernsehen neue Lehrmaterialien und moderne Lehrmethoden in die Berufsausbildung integriert.
— Jürgen Raizner
Berufsschulen als Fundament der lokalen Industrieentwicklung
Die Rolle der Berufsschulen in der Ukraine geht weit über die reine Wissensvermittlung hinaus. Sie sind nicht nur Ausbildungsstätten, sondern auch strategische Partner für Unternehmen, die in der Region investieren möchten. Das Galizische Fachkolleg in Ternopil zeichnet sich durch eine Vielzahl von Programmen aus, die sowohl technische als auch kreative Berufe abdecken. Mit Abteilungen für Computertechnologien, Dienstleistungen und Design sowie einem starken Fokus auf internationale Kooperationen – darunter Programme wie Erasmus+ – bietet die Schule eine moderne, praxisorientierte Ausbildung.
Ebenso beeindruckend ist das Berufsausbildungszentrum in Rivne, das eine breite Palette an technischen Berufen wie Elektromonteur, CNC-Bediener und Schweißer abdeckt. Mit einer modernen Infrastruktur, einem „Career Center“ zur Unterstützung der beruflichen Entwicklung und einer engen Zusammenarbeit mit dem regionalen Arbeitsamt zeigt die Einrichtung, wie Berufsausbildung als Brücke zwischen Bildung und Industrie fungieren kann.
Enorme Herausforderungen durch den Krieg
Dennoch darf nicht übersehen werden, dass die Leitung und die Lehrkräfte der Berufsschulen in der Ukraine derzeit enormen Belastungen ausgesetzt sind. Der anhaltende Krieg stellt die Bildungsinstitutionen vor außergewöhnliche Herausforderungen: Regelmäßige Luftalarme unterbrechen den Unterricht und zwingen Schüler und Lehrkräfte, Schutzräume aufzusuchen. Dies erschwert nicht nur den Bildungsprozess, sondern stellt auch eine erhebliche psychologische Belastung dar.
Hinzu kommt die jüngste Diskussion über die mögliche Einberufung junger Menschen ab 18 Jahren zum Militärdienst. Diese Überlegungen beeinflussen nicht nur die Zukunftsperspektiven der Schüler, sondern auch die Planbarkeit und Kontinuität der Ausbildungsprogramme. Trotz dieser schwierigen Umstände zeigen die Berufsschulen in Ternopil und Rivne eine bemerkenswerte Resilienz und bleiben wichtige Säulen für die Ausbildung und die wirtschaftliche Entwicklung der Region.
Eine Win-Win-Situation für Unternehmen und Regionen
Für Unternehmen, die in der Ukraine investieren, bietet die Kooperation mit Berufsschulen klare Vorteile. Zum einen können Ausbildungsprogramme speziell auf die Anforderungen der Industrie zugeschnitten werden, was die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte sicherstellt. Zum anderen profitieren die Schulen von der Modernisierung ihrer technischen Ausstattung und der engen Verzahnung mit der Praxis. Dies schafft nicht nur Arbeitsplätze, sondern stärkt auch die regionale Wirtschaft und fördert die nachhaltige Entwicklung der Region.
Besonders der Automobilsektor, der auf gut ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen ist, kann von dieser Symbiose profitieren. Der Auftraggeber des STZ sieht in der Zusammenarbeit mit einer örtlichen Berufsschule einen entscheidenden Erfolgsfaktor. Ausbildungsprogramme könnten gezielt auf die Anforderungen von Investoren ausgerichtet werden, um eine nahtlose Integration der lokalen Arbeitskräfte in die Produktionsprozesse zu ermöglichen. Jürgen Raizner und sein Team vom STZ-Ost-West-Kooperationen haben dabei nicht nur die Kontakte zu den Berufsschulen hergestellt, sondern auch die strategischen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit analysiert. Die Ukraine beweist einmal mehr, dass sie nicht nur ein Land mit großem Potenzial ist, sondern auch ein verlässlicher Partner für die Industrie – selbst in Zeiten größter Herausforderungen.
Das Erbe von Ferdinand von Steinbeis: Ein Modell für Bildung und Entwicklung – lokal und international
Ferdinand von Steinbeis gilt als Begründer der dualen Berufsausbildung in Württemberg und prägte damit ein Bildungssystem, das Theorie und Praxis verbindet. Sein Ansatz, wissenschaftliches Wissen mit handwerklichem Können zu vereinen, legte den Grundstein für die industrielle Entwicklung der Region. Mit seiner Vision förderte er nicht nur die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte, sondern auch die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit. Sein Erbe prägt bis heute die berufliche Bildung in Deutschland – und wir integrieren diesen Anspruch aktiv in unsere internationalen Projekte, um weltweit nachhaltige Entwicklung und Wissenstransfer zu fördern.
Ukraine-Experten beim STZ.
Seit 1996.